Unmögliche Abschiede
von Han Kang
Aus dem Koreanischen übersetzt von Kyungran Choi und Pierre Bisiou
Grasset, 336 S., 22 €
Han Kang war lange Zeit das bestgehütete literarische Geheimnis Südkoreas, da sie sich als Romanautorin über die blutigen Länder des südlichen Teils der Halbinsel erwies: das Blut, das die nördlichen Kommunisten während des Krieges zwischen 1950 und 1950 nicht vergossen hatten und 1953; sondern das Blut, das durch die Schuld eines militaristischen Regimes unter amerikanischer Ägide vergossen wurde.
Der Autor evoziert, in Derjenige, der zurückkommt (The Plumed Serpent, 2016), das Massaker in Gwangju – seiner Heimatstadt –, das im Mai 1980 von General Chun Doo-hwan verübt wurde, der bald Präsident der Republik wurde. Hier deckt sie ein älteres Blutbad auf, das 1948 auf der üppigen Insel Jeju verübt wurde, wo das frisch vermählte Paar jetzt in die Flitterwochen aufbricht, ohne etwas zu ahnen.
Gewagte Suche
Soweit Literatur nicht auf die Zurschaustellung von Empörung reduziert werden kann, entwickelt Han Kang, sobald sich ein erfolgreicher Roman als eine erschütternde Reise erweist, die Wesen im Kontakt mit Orten und Situationen verwandelt, eine gewagte Suche zwischen Träumen und Realität, zwischen Toten und lebendig, zwischen Sanftheit und Gewalt, zwischen Flüstern und Weinen, zwischen Abkühlung der Welt und Erwärmung der Erinnerung.
Eine in Seoul festsitzende Dokumentarfilmerin beauftragt die Erzählerin, ihren weißen Papagei auf der Insel Jeju zu retten. Das Wetter ist stürmisch: „Der Schnee, der in meine Turnschuhe eingedrungen war, war eisig, aber das Gefühl, darauf zu treten, war unglaublich weich, sodass ich bei jedem Schritt nicht wusste, ob ich Schmerz oder Vergnügen empfand. » Der tot in seinem Käfig aufgefundene Vogel wird begraben, während der Roman in einer Art Kreuzung von Erscheinungen, Träumen und Beweisen die vergrabene kriminelle Vergangenheit ans Licht bringt. Der Roman, der ständig zwischen weicher Verträumtheit und berauschenden, mit der Topographie verbundenen Details oszilliert, zeichnet eine mentale Landschaft: die der koreanischen Psyche, die von Traumata verwüstet wird, zum Schweigen gebracht und dann auf nichts reduziert wird; wie die Opfer, die einst von den Streitkräften in ihrem Rausch der Ausrottung des Kommunismus eliminiert wurden, oder solche vermeintlichen.
Eine Erinnerung ohne Überreste verfolgt mich Unmögliche Abschiede, wie die Erinnerung an die Mutter des Dokumentarfilmers, die die tragischen Ereignisse von 1948 und die darauf folgende Kluft miterlebt hatte. Han Kang verbindet so drei Frauen und ihr Schicksal, wie ein Schicksal, das entschlossen ist, die grob verdunkelte koreanische Realität wiederherzustellen. Wie zuallererst eine Schamanin, die sich mit all ihren Kräften der Kunst des Romans widmet; allein gegen allgemeine Amnesie.
Initiationsreise
Einsamkeit, insbesondere weibliche Einsamkeit, erweist sich als Leitmotiv einer ebenso fesselnden wie fesselnden Autorin auf ihrer Suche nach vergangenen Zeiten, die so gewalttätig, beschämend und unterirdisch sind: „Sie erzählte es mir im Tonfall derer, die durch den Schmerz geformt wurden, derer, die die Freude oder das Wohlwollen anderer nicht beruhigen kann, die jederzeit bereit sind, das nächste Unglück zu ertragen. »
Am Ende des Tages, am Ende einer Initiationsreise zwischen Märtyrern und Massengräbern, nach so viel rauschendem Wind und lähmendem Eis, gibt es das Licht einer Kerze und das Auftauchen einer Knospe. Die surreale Poesie, der seltsame und eindringliche Stil, die kosmische Vision einer leidenden Welt, die Han Kang zeigt, fesseln von der ersten bis zur letzten Seite. Und das, wie die Vögel, die dem Erzähler von der Schulter fliegen: „Das zarte Gefühl, das sie bei der Einführung auf meiner Haut hinterließen, als ob Lippen den Schaum eines Bieres berühren, blieb erhalten. »